Der Teufelsbruch und der Fechenheimer Wald befinden sich im Osten der Stadt Frankfurt am Main und sie sind ein letztes Stück des regional typischen Auenwaldes des Mains. Ein alter Feuchtwald der Flussaue. Ein Stück des Waldes soll nun für einen Autobahntunnel gerodet werden und wird momentan von den Aktivisten von “Teufelsbruch bleibt” geschützt. Im November haben wir uns mit zwei der Aktivisty, die anonym bleiben möchten, über die Gründe der Waldbesetzung, hierarchiefreie Gesellschaften und natürlich über deren Wandelpunkte unterhalten.
Es ist ein kalter Novembermorgen, als wir an die Tür des Bauwagens der Mahnwache klopfen und zwei vermummte Gestalten uns die Tür öffnen.
“Ach, ihr seid nicht die Polizei” kommt es uns erleichtert entgegen. Wir werden herzlich empfangen und zu den Baumhäusern begleitet.
Freundlich blitzen die Augen der jungen Aktivisten und sie bieten uns Tee, Kaffee und gerettete Kekse an. Kurze Zeit später sitzen wir mit zwei von ihnen zusammen unter den Bäumen und unterhalten uns über ihr Leben draußen im Wald. Beide hatten einschneidende persönliche Erfahrungen, also ihre Wandelpunkte, die sie dazu führten, die Struktur unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Sie entschieden sich ihr Leben radikal zu ändern und stattdessen ihre Utopie zu leben. Sie sind froh darüber wie wenig sie benötigen, um glücklich zu sein.
Aber glücklich sind sie nicht, sonst würden sie nicht im Winter im Wald leben. Sie nehmen diese Sache sehr ernst, denn sie haben eine Vision von einer freien, hierarchielosen und friedlichen Welt, wo alle Lebewesen auf diesem Planeten mit Respekt behandelt werden, also auch Tiere und Pflanzen. Sie leben diese Vision.
Die Aktivisty informieren in einem Blog über ihr Leben und ihre Gedanken im Fechenheimer Wald. Dort kann man auch lesen, wie man sie unterstützen kann. https://teufelsbruch.blackblogs.org/
Zwischenspielmusik “Interlude in C Major” vom Pseudosound
Falls ihr uns von eurem persönlichen Wandelpunkt erzählen möchtet und was daraus entstanden ist, oder wenn ihr jemanden kennt, den wir interviewen sollen, einfach kontaktieren oder eine E-Mail an kontakt@wandelpunkt-podcast.de schicken. Wir freuen uns, von euch zu hören.
Johanna Roos ist gelernte Kultur-und Sozialanthropologin aus Frankfurt am Main und ist seit 2016 Mitarbeiterin in der Stiftung Polytechnische Gesellschaft. Seit 2020 leitet sie das Programm Nachhaltigkeitspraktiker, das Menschen dabei unterstützt, persönliche Ziele für eine nachhaltigere Lebensgestaltung umzusetzen und dann ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Judith Busse studiert Philosophie an der Goethe Universität in Frankfurt und hat 2021 an dem Programm teilgenommen. In Oktober 2021 haben wir uns mit den beiden über die Herausforderung den ersten Schritt zu tun nachhaltiger zu leben, wie es gemeinsam einfacher geht und selbstverständlich über ihre Wandelpunkte unterhalten.
Während regelmäßiger, von der Stiftung begleiteter Treffen mit Gleichgesinnten unterstützen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms gegenseitig dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele – sei es im Konsumverhalten, im Bereich Haushalt oder beim Thema Ernährung – zu erreichen. Ein begleitendes Workshop- und Vortragsangebot bietet zusätzliche Impulse. Welche Herausforderungen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ihrem Weg zu mehr gelebter Nachhaltigkeit begegnen und welche Erfahrungen sie machen, teilen sie anschließend mit ihrem Umfeld. Ein Projektteam begleitet die Gruppe in der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsvorhaben und unterstützt sie dabei, anderen ein Vorbild zu sein. Anhand ihres eigenen Beispiels zeigen die Nachhaltigkeitspraktikerinnen und -Praktiker auf, wie es gelingen kann, an einer nachhaltigeren Stadtgesellschaft für Frankfurt mitzuwirken.
Jetzt ist auch schon klar, dass es im nächsten Frühjahr eine neue Runde Nachhaltigkeitspraktiker geben wird: Ab Ende Januar 2022 können sich Interessierte ab 18 Jahren (ohne Altersbeschränkung nach „oben“) wieder über die Website des Projekts bewerben. Los geht es dann Mitte März. Alle weiteren Infos gibt es Anfang nächsten Jahres auf der Website oder auch gerne bei einem persönlichen Gespräch.
Johanna
“Ich glaube es gab verschiedene kleinere Wandelpunkte, die mich immer wieder zu neuen Wandelpunkten führten. Zuerst vielleicht mich als junges Mädchen zu entscheiden der Tiere wegen kein Fleisch mehr zu essen, dann das Entsetzen in britischen Supermärkten mit doppelt und dreifach in Plastik eingepackten Lebensmitteln und der Schwierigkeit, mit wenig Geld anders einzukaufen, dann das Erleben von vermüllten Stränden und die Themen, die mir danach in der Bildungsarbeit im Weltladen begegnet sind (zum Beispiel der Wasserverbrauch in der Kleidungsindustrie…). In Frankfurt hat dann das Thema Lebensmittelrettung nochmal ganz neue Perspektiven eröffnet und so habe ich dann nach und nach die unterschiedlichen Initiativen hier in Frankfurt entdeckt. Das Engagement der Menschen in den Initiativen hat mich persönlich sehr beeindruckt und inspiriert.”
“Die Idee zum Projekt kam gemeinsam 2019 mit einem ehemaligen Stipendiaten, inzwischen Referenten in unseren Programmen in der Stiftung. Wir waren uns einig, wie schwer es ist, alte Routinen aufzugeben und neue zu etablieren und dann auch dran zu bleiben. Außerdem gibt es so viele Informationen an so vielen Stellen, die manchmal überfordern oder auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass ich es als Einzelperson nur schwer richtig oder besser machen kann. Manchmal ist es einfach schwer einzuschätzen, welcher Weg der bessere ist. Wenn dann das eigene Umfeld vielleicht (noch) nicht so interessiert an nachhaltigeren Lebensweisen ist, wird es noch schwieriger.”
“So kam die Idee Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in einer Gruppe schaffbare Ziele Schritt für Schritt vorzunehmen, sich dort auch gegenseitig zu motivieren dranzubleiben, Input von Expertinnen und Experten zu bekommen und am Ende dann anderen von den eigenen Erfahrungen zu berichten und zu zeigen, wie und wo man anfangen kann.”
“Personen, die ihren Alltag nachhaltiger gestalten wollen möchte ich gerne noch sagen: Fangt da an, wo es euch leichtfällt. Sucht euch etwas aus, das ihr Lust habt auszuprobieren. Schaut auch darauf, was ihr schon macht und nehmt euch nach und nach Zeit in eurem Alltag in Küche, Bad, Einkauf… zu beobachten, wo ihr Dinge ändern könnt. Dann fangt langsam mit der Umstellung an. Nehmt zum Essen gehen eine Dose von zuhause für die Reste mit oder löscht mal alte E-Mails, die das Postfach unnötig füllen und so Strom für die Speicherung verbrauchen. Sicher werden euch dann noch viel mehr Möglichkeiten auffallen, welche eurer Routinen ihr verändern könnt. Und vergesst nicht, anderen Leuten von euren Vorhaben, Herausforderungen und Erfolgen zu erzählen. Hoffentlich probieren sie es dann auch.”
Judith
“Immer wieder, wenn ich frustriert bin, weil ich etwas nicht hinbekommen habe oder ich das Gefühl habe nichts ändern zu können in der Welt, dann sind Begegnungen mit Menschen jedes Mal wieder ein Wandelpunkt für mich. Sie motivieren mich, bauen mich auf und geben mir wieder Freude am Leben. Ich glaube, dass die Grundlage für nachhaltiges Leben und Handeln die Beziehung der Menschen zueinander und mit der Natur ist.”
“Als ich bei einem Vortrag beim Programm Nachhaltigkeitspraktiker*innen gehört habe, wie viele Plastikteilchen beim Wasserkochen im Plastikwasserkocher ins Wasser gehen, habe ich wieder vermehrt über das Thema Plastik nachgedacht und daraus entwickelte sich auch die Idee für meine Kurzgeschichte über Plastik.”
Alle Fotos: Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Philip Eichler
Zwischenspielmusik “Turkey Groove” vom Pseudosound
Falls ihr uns von eurem persönlichen Wandelpunkt erzählen möchtet und was daraus entstanden ist, oder wenn ihr jemanden kennt, den wir interviewen sollen, einfach kontaktieren oder eine E-Mail an kontakt@wandelpunkt-podcast.de schicken. Wir freuen uns, von euch zu hören.
Beate Siegler ist Rentnerin aus Frankfurt und hatte 2020 die Idee mit anderen die Food-Coop Klaa Karott zu gründen. Das Ziel ist Lebensmittel regional, in Bioqualität und möglichst direkt vom Erzeuger zu kaufen. Im September 2021 haben wir sie eingeladen, um mit ihr über ihre verpackungsfreie Kindheit, wie man eine Lebensmittelkooperative gründet und natürlich über ihren Wandelpunkt zu sprechen.
Beate hatte als Kind in den 1950er Jahren schon ein paar Erlebnisse, die einen Wandelpunkt auslösten. Eins davon war, dass ihre Eltern einmal den teuren Kaffee wegwerfen mussten, nachdem dieser den Geschmack des Plastikbehälters, in dem er aufbewahrt wurde, angenommen hatte. Das zweite war, als sie zum ersten Mal eine Bluse aus synthetischem Stoff trug und das Gefühl hatte, eine Plastiktüte zu tragen.
Jahre später beschloss sie Plastikfasten auszuprobieren. Sie empfand es als sehr befreiend und entschied sich das Thema weiter zu entwickeln.
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Der Verein kauft Lebensmittel in Großpackungen/Großgebinden ein und die Mitglieder holen es einmal die Woche in ihren eigenen Gefäßen ab. Klaa Karott macht keine Gewinne und achtet darauf, dass die Produzenten eine faire Bezahlung bekommen.
Falls ihr uns von eurem persönlichen Wandelpunkt erzählen möchtet und was daraus entstanden ist, oder wenn ihr jemanden kennt, den wir interviewen sollen, einfach kontaktieren oder eine E-Mail an kontakt@wandelpunkt-podcast.de schicken. Wir freuen uns, von euch zu hören.